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Der Swipe ins große Glück?

Tinder ist eine lokalbasierte Dating-App, die in den letzten Jahren zunehmend an Popularität gewonnen hat. Die App wurde im Oktober 2012 eingeführt und verfügt über 50 Millionen User in 196 Ländern (Ward 2017: 1645). Janelle Ward beschäftigt sich in ihrem Beitrag damit, wie Nutzer versuchen, sich selbst auf der Plattform darzustellen. Was sind ihre Ziele? Was sind ihre Motivationen? Wie möchten sie bei dem anderen Geschlecht ankommen und wonach suchen sie wirklich? Erving Goffman’s Theorie der Selbstpräsentation bietet die Grundlage für die Beantwortung dieser Fragen.

Wie funktioniert Tinder?

Zunächst ist erwähnenswert, dass sich Ward’s Daten auf die Tinder Version von 2017 beziehen. Mittlerweile hat die App jedoch einige Updates durchlaufen, die die Nutzung angenehmer gestalten sollen. Dazu gehören zusätzliche Features oder Auswahlmöglichkeiten beim eigenen Profil (für mehr Infos siehe hier: https://flirtuniversity.de/tinder-updates-was-ist-aktuell-los-bei-tinder/). Das Kernprinzip bleibt aber erhalten.

Nach Ward ist das Besondere an Tinder, dass nur ein sehr geringer Filterungsprozess vorliegt. Es wird lediglich das gesuchte Geschlecht, Alter und ein Radius angegeben (Ward 2017: 1648). Nacheinander werden die potenziellen Personen angezeigt. Zuerst sieht man nur das Profilbild, das Alter und die Entfernung. Wer mag, kann sich dann durch weitere hochgeladene Bilder der Person klicken. Das Auswahlverfahren erfolgt durch das so genannte Swipen. Durch einen Swipe nach links wird die Person abgelehnt, durch einen Swipe nach rechts wird eine Person als potenzieller Match akzeptiert. Erst wenn das Swipen wechselseitig erfolgt, kann miteinander gechattet werden (Ward 2017: 1645).

Impression management  

Ward nutzt Goffman’s Begriff des „Impression management“. Dabei handelt es sich um ausgetüftelte Methoden, um sich selbst im besten Licht zu präsentieren und somit auf potenzielle Partner aufmerksam zu machen (Ward 2017: 1644). Das impression management beginnt mit der Auswahl eines geeigneten Profilbildes und eines kurzen Textes. Die Erwartungen potenzieller Matches werden zuvor eingeschätzt und davon abhängig, versuchen sich die User selbst zu präsentieren. Ward diskutiert dabei zwei grundsätzliche Prozesse. Zum einen gibt es die „impression motivation“. Dabei ist es den Benutzern besonders wichtig, dass sie selbst die Kontrolle darüber haben, wie sie sich präsentieren.

„This high motivation can be illustrated in how users are sometimes tempted to present themselves in idealized ways“ (Ward 2017: 1646).

Zum anderen zählt sie die „Impression construction“ auf. User entscheiden sich für den Eindruck, den sie bei anderen Usern hinterlassen wollen (Ward 2017: 1646). Sie vergleichen sich mit anderen Nutzern und lassen sich davon inspirieren:

„There was a constant comparison with others along with descriptions of what to embrace and what to avoid“ (Ward 2017: 1652).

Die meisten User streben danach, sich selbst in einem besonders guten Licht zu präsentieren, aber dennoch keine neue Version ihrer Selbst zu erschaffen (Ward 2017: 1652). Sie möchten möglichst gut bei einem potenziellen Match ankommen und trotzdem bei der Wahrheit bleiben, weil die Chancen hoch sind, dass man sich auch im realen Leben begegnen kann (Ward 2017: 1647).

Unterhaltung, Ego-Booster oder Partnersuche?

Für ihre Studie erstellte Ward ein eigenes Tinder–Profil mit dem Namen „TinderStudy“ (Ward 2017: 1648), um Interviewpartner zu rekrutieren. Die User, die sich per Mail bei ihr meldeten, wurden dann zu einem Interview gebeten.

Aus ihren Befragungen ging hervor, dass Tinder vor allem zur Unterhaltung und als Ego-Booster genutzt wird. Einige Befragte gaben an, dass es schön wäre, einen festen Partner auf Tinder zu finden. Dies sei jedoch nicht ihre Hauptmotivation (Ward 2017: 1649). Tinder bietet verschiedene Nutzungsmöglichkeiten und daher unterscheiden sich die Motivationen der Nutzer. Viele sehen in Tinder eine Gelegenheit für kurzweilige romantische Begegnungen, wohingegen einige in Tinder eine gute Möglichkeit sehen, langfristige Beziehungen aufzubauen. Viele ändern aber auch ihre Erwartungshaltung nach längerer Nutzung. Durch die stigmatisierte Umwelt löst Tinder aber oftmals Scham statt Stolz aus. (Ward 2017: 1650).

„On Tinder, whether one is using the app for entertainment, seeking an ego-boost, or an eventual relationship, success is defined by an attractive profile, validated through mutual right swipes.“ (Ward 2017: 1651).

Was bedeutet das?

Es gibt unterschiedliche Beweggründe für die Nutzung von Tinder. Das Stigma führt dazu, dass viele User die App in erster Linie zur Unterhaltung nutzen und darin weniger eine ernstzunehmende Dating-App sehen. Das Aussehen des eigenen Profils hängt stark von den Profilen potenzieller Matches ab. In diesem Zusammenhang führt Ward den Begriff der „Homophilie“ ein, der die Neigung zu ähnlichen Individuen beschreibt. Vor allem das Alter, die ethnische Herkunft und der Bildungsstand spielen dabei eine große Rolle (Ward 2017: 1654).

Unserer Meinung nach liefert der Aufsatz eine gute Grundlage für weitere Forschungen. Ward ist sehr transparent in ihrer Methode und auch deren Kritik, obwohl die Wahl der Methode nicht erklärt wurde. Trotzdem wirkt der Text sehr oberflächlich, da er stark auf altmodische Stereotype fokussiert ist. Er ist wenig ergiebig und wenig überraschend: Es fehlt der Erkenntisgewinn. Außerdem mangelt es an Repräsentativität, da nur 21 Personen zu Tinder befragt wurden. Es wäre sicherlich ratsam, die qualitative Methode durch quantitative Methoden wie etwa Fragebögen zu ergänzen. Der Text ist zwar aktuell, wirkt aber durch den ständigen Wandel der App und der Motivationen der User beinahe schon veraltet.

Literatur: Janelle Ward (2017): What are you doing on Tinder? Impression management on a matchmaking mobile app. Information, Communication & Society, 20:11, 1644-1659.

Andere Quellen: https://flirtuniversity.de/tinder-updates-was-ist-aktuell-los-bei-tinder/

Autoren: Kristin Lenßen und Aylin Mercsak

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